Vielleicht ist es dem einen oder anderen schon aufgefallen: Ich mag die Spiele-Reihe Bioshock ganz gerne (leichte Untertreibung). Die Ästhetik, die Atmosphäre, die Charaktere, die vielen Sätze, die sehr eindringlich im Kopf hängen geblieben sind...
Wärst du so freundlich?
Und natürlich ist Bioshock der Entwurf einer autarken Stadt unter dem Meer. Die Art von Stadt, die mich schon immer fasziniert hat.
Wäre es möglich, eine Stadt auf dem Meeresboden zu gründen und am Leben zu erhalten? Wenn man die Ressourcen und Techniken hätte, könnten Menschen dort auf Dauer glücklich sein?
Aber jetzt zurück zum Thema: Wie ist mein erster Roman entstanden? Und was hat dieser mit Bioshock zu tun?
Im Jahr 2013 habe ich gerade meinen Master in Biological Sciences gemacht und im Seminarverzeichnis einen Kurs für meine nicht gerade spärliche Freizeit gesucht. Gefunden habe ich das Seminar "Krimis schreiben" von Stefan Keller.
Ich ging mit dem Glauben in das Seminar, ich würde dort etwas über das Schreiben von Krimis lernen - was auch stimmte. Allerdings war es ebenfalls Teil des Kurses, selbst einen Krimi zu entwerfen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich in meinem Leben noch nie etwas Kreativeres geschrieben, als meine Bachelorarbeit über das Fressverhalten von Antennenwelsen (Aber auch das war natürlich höchst kreativ und spannend). Und ich hatte eigentlich nicht vor, das zu ändern. Trotzdem blieb ich in dem Seminar, trotzdem entwarf ich die Hauptpersonen des Romans, plante den kompletten Plot und schrieb die ersten fünf Seiten. Ich schrieb den perfekten Klischeekrimi, gemischt aus den Zutaten, die ich selbst in Krimis als besonders spannend oder als unbedingt notwendig empfunden habe. Heraus kam ein erster Entwurf, der sowohl beim Dozenten als auch bei den anderen Seminarteilnehmern auf Wohlwollen stieß. Bei mir jedoch verursachte diese Art von Krimi Langeweile und eine Art Schreibblockade: Ich wollte so etwas schlicht und ergreifend nicht schreiben. Aber ich wollte schreiben. Nur anders. Einen anderen Krimi.
Also meldete ich mich gleich zum nächsten Semester noch einmal für das Seminar an (In dem ich bei beiden Male übrigens der einzige Teilnehmer aus dem Bereich der Naturwissenschaften war und für etwas schräge Blicke deswegen gesorgt habe, das nur am Rande :D ). Bei dieser neuen Runde wollte ich nun etwas schreiben, das mir selbst Freude machen würde. Ich stellte mir eine Mischung aus Fantasy und Krimi vor, eine spannende Welt, in der es etwas zu entdecken gibt, in der es Abenteuer und Gefahren gibt, die aber nicht allein von einem schnöden Serienmörder ausgehen.
Ich wollte das zwar alles, aber eingefallen ist mir dann erstmal nichts.
Nach einigem Überlegen tendierte ich dann in Richtung Steampunk, allerdings in welcher Kulisse? Wo sollte der Krimi spielen? Wer sollte wen ermorden und warum?
Die Erkenntnis hatte ich eines Nachts im Schlaf - kein Witz und vermutlich ein absolutes Klischee. Ich habe von der Stadt unter dem Meer geträumt, in der mein erster Roman spielen sollte. Im Schlaf hatte ich alles perfekt geplant: Wie die Sauerstoffversorgung funktionieren sollte, wie die Versorgung mit Nahrung, wie die Gesellschaftsstruktur aussehen sollte... Als ich aufgewacht bin, war ich begeistert. Das würde alles so cool werden. Natürlich habe ich nichts davon gleich aufgeschrieben, schließlich war es so cool und an sowas Cooles würde ich mich natürlich auch noch später am Morgen erinnern... Habe ich nicht. Nur daran, dass es wirklich fantastisch war, was ich mir da zusammengeträumt hatte. Aber ich wusste, dass es um eine Stadt unter dem Meer gegangen war. Und an der Stelle ließ mich die Idee nicht mehr los. Allerdings musste dieses Unterwasserstadt mit Leben gefüllt werden, mit Personen, mit einem System (und einem brutalen Serienmörder).
Und an der Stelle trafen meine Liebe für Bioshock und meine neue für das Schreiben aufeinander. Es gab nämlich Dinge, die ich an der Geschichte von Bioshock schon immer zum Haare raufen fand. Eins davon war folgendes: Die Stadt Rapture, die Andrew Ryan in der Spielereihe geschaffen hat, konnte ausschließlich für einen sehr kurzen Zeitraum funktionieren. Und niemals für länger.
In den Spielen sind die Menschen in der Stadt gefangen, die Stadt zu verlassen ist unmöglich. Allerdings ist es erlaubt, Menschen so viel für ihre Arbeit zu bezahlen, wie man möchte. Auch gar nichts. Es gibt keine Regulation des Marktes, da ein freier Markt sich selbst reguliert, wie Andrew Ryan, der Erbauer der Stadt, so gerne behauptet. Das mag auch stimmen, aber nicht, wenn die Menschen nicht gehen können. Und so ist es in Bioshock der Fall, dass diejenigen, die die Stadt bereits reich betreten oder schnell Geschäfte und lukrative Strukturen aufgebaut haben, diejenigen sind, die die Macht haben und sie auch behalten. Die einfachen Arbeiter werden als Menschen zweiter Klasse angesehen und sich selbst überlassen. Eine solche Stadt ist ein Pulverfass und wenn dann auch noch Drogen hinzukommen (Und nichts anderes sind die Plasmide und das zugehörige Adam und Eve, die den Menschen besondere Kräfte verleihen), dann ist eine Explosion unvermeidlich.
Dazu kommen die vielen mentalen Probleme, die die Menschen nach einiger Zeit beginnen zu plagen und ihnen nur als Schwäche angekreidet werden. Der Entzug von Sonnenlicht, das Gefühl des Eingesperrtseins, die stetige Überwachung und die Panik, grundlos bestraft zu werden...
Auf diesen Problemen aufbauend habe ich in meinem Roman Stadt der Tiefe die Stadt Biota erschaffen: Eine Stadt, in der Wissenschaftler die Leitung haben, Wissenschaftler, die verehrt werden wie Götter, da sie das Überleben unter dem Meer überhaupt erst möglich gemacht haben.
Um jegliche Komplikation mit den Erinnerungen der Menschen an die Außenwelt zu vermeiden (wie beispielsweise die Erinnerung an Freiheit oder das Licht der Sonne), wurde jeder Einwohner bei Eintritt in die Stadt einer Anpassung unterzogen, im Grunde einer Art Gehirnwäsche, die ihn auf das Leben in der Stadt vorbereitet. Jedes Geschäft, jede Berufslaufbahn sind von den Leitern der Stadt geplant und verhindern Arbeitslosigkeit. Jeder Mensch in Biota erhält einen Arbeitsplatz und damit ein festes Gehalt, ganz nach seinen individuellen Eigenschaften.
Der Leiter der Stadt wird unter den Wissenschaftlern gewählt und die Wissenschaftler sind es, denen die Menschen nacheifern und die sie bewundern. Aus diesem Grund haben die Forscher in Biota weitgehend freie Hand - was in vielerlei Hinsicht einen Segen für die Bewohner von Biota bedeutet. Aber auch hinter diesem Segen verbergen sich natürlich Abgründe... (Meine Aufgabe war es ja, einen Krimi zu schreiben, keine perfekte Utopie. Also bin ich letztendlich irgendwie bei einer Dystopie gelandet ;) ).
Während in Bioshock nur zählt, Macht und Geld zu haben, die Leute nur danach streben, zu konsumieren und sich als etwas Besonderes zu fühlen, geht es in Biota um das Gemeinschaftsgefühl, auf das alle bei ihrer Anpassung eingestimmt wurden. Jeder einzelne dient der Stadt und der Gemeinschaft, jeder hat seinen Platz. Doch was geschieht, wenn etwas von dieser Normalität abrückt? Und was passiert, wenn manche Einwohner plötzlich anfangen, Fragen zu stellen und selbst zu denken?
Nein, Stadt der Tiefe ist nicht Bioshock und sollte es auch nicht werden. Die Spiele dienten mir als Inspiration für die Idee zu Stadt der Tiefe und als Vorlage dafür, wie man eine abgeschottete Stadt unter dem Meer auf keinen Fall gestalten sollte (Menschen Fähigkeiten zu geben, die ein doch recht fragiles Gebilde wie eine Stadt auf dem Meeresboden zerstören können, gehört definitiv dazu. Oder Wahnsinnige in die Stadt zu bringen und ihnen freie Hand zu lassen. Oder jeden, der nicht zur Oberschicht gehört, eiskalt auszugrenzen und verhungern zu lassen... Oder, oder, oder).
Bioshock hat mich zum Nachdenken angeregt - und tut es auch heute noch -, wie eine solche Stadt auf dem Meeresboden länger Bestand haben könnte als bestenfalls ein paar Jahre. Und herausgekommen ist dabei Biota und mein Roman Stadt der Tiefe.
Wie seht ihr das? Würdet ihr Biota gerne mal besuchen?
Comments